Rheingold – Das erste Mal
Wie bei jeder Liebesbeziehung gibt es auch beim Rheingold das erste Mal. Darüber wollte die Zeitschrift Matrix 3000 näheres wissen und veröffentlichte folgenden Artikel:
Die neue Kunst des Zahlens
Rheingold ist nicht eine weitere Regionalwährung nach dem von Silvio Gesell im Argentinien des 19. Jahrhunderts entwickelten Prinzip der eigeninitiativen Wirtschaftsförderung. Zwar fördert Rheingold die Wirtschaft aller Rheingolder, es ist dabei aber nicht lokal begrenzt.
Vor allem grenzt es nicht die Künstler, Schriftsteller, Schauspieler und Musiker aus. Im Gegenteil: circa 40% der Rheingolder sind künstlerisch Schaffende, auch viele Verlage und Galerien sind Rheingolder. So gesehen ist Rheingold prinzipiell auch eine Art Wirtschaftsförderung für Künstler:
Dies erkennen renommierte wie z.B. Otto Piene, Thomas Ruff, Norbert Tadeusz, Otto Sander, Sonja Kling, Judy Winter, Wim Wenders und Niklas Stiller.
Sie sind Rheingolder, sie fördern das Projekt, so wie auch Fujio Akai, Ulrich Erben, Kalle Heitzer, Kay Kaul, Brigitta Rohrbach, Franziska Megert, Thyra Schmidt, Ulrike Schröter u.a.
Was Rheingold nicht ist, obwohl man mit ihm zahlen kann.
Es ist kein Geld, denn Geld wird ausschließlich von staatlich unabhängigen Monopolen herausgegeben und wir sind weder staatlich, noch ein Monopol.
Rheingold ist schlichtweg ein additives Tauschmittel, das zusätzliche Umsätze schafft.
Rheingold als Werbeträger
Zahlreiche Künstler haben eine Seite der Scheine gestaltet, auf dass sich eine neue Ästhetik in den Portemonnaies aller Rheingolder befindet.
Siehe hier Möglicherweise wird man sogar mit neuen Motiven überrascht, wenn man beim Einkaufen sein Wechselgold ausgehändigt bekommt.
Rheingold lässt sich durchaus als eine zirkulierende Ausstellung, als Kommunikationsmittel begreifen.
Es informiert die Rheingolder untereinander, was sie für ihre Rheingold bekommen können.
Der Biokonsum, das Düsseldorfer Op-de-Eck, Restaurant in der Kunstsammlung NRW, Bernd Jansen – der Beuys Photograph, Colours of White – Abend- und Brautmode, Radisson SAS im Medienhafen, Thomas Herbrich – Composer und Photograph, Gemüse Schiers vom Carlsplatz in Düsseldorf, Pretty Vacant – Altstadt Club; sie alle sind Rheingolder, wie man auf den Rheingold-Scheinen entdecken kann.
Adé: Neid und Gier
Der ehemalige Chef der Zentralbank Belgiens und Mitentwickler des Euro, Prof. Bernard Lietaer glaubt, dass das alte Geld uns mit der Angst vor der Knappheit informiert. So entstünde automatisch Neid und Gier, seit alters her Todsünden.
Das ist bei Rheingold völlig anders, es ist kein Geld, es ist eben Rheingold. Ein Bäcker deckt Rheingold mit seinen leckeren Brötchen, ein Kabarettist mit witzigen Aufführungen, ein Restaurant mit Kulinarischem, ein bildender Künstler mit Kunstwerken, ein Fensterputzer mit sauberen Fenstern, ein Anwalt mit Beratung, ein Vermieter mit Wohnraum.
Jeder Rheingolder kann die Deckung seines Goldes persönlich erfahren. Er braucht lediglich in Düsseldorf der Duftspur frischen Brotes zu folgen und gerät so in eine Rheingold-Bäckerei.
Im alten kapitalistischen Schuldgeldsystem wünscht sich beispielsweise ein Bäcker unwillkürlich, dass der konkurrierende Bäcker untergehen möge, damit sich seine Situation verbessert. Mit Rheingold ist das genau umgekehrt. Weshalb?
Er hat vielleicht gerade einen zusätzlichen Umsatz mit frischem Brot gemacht, schaut auf den Rheingold-Schein, wer den denn herausgegeben haben möge und liest, dass es sein Konkurrent um die Ecke ist. Und der hat nun durch Herausgabe seiner Gutscheine ihm zu Umsatz verholfen und steht außerdem für seine Gutscheine gerade.
Unwillkürlich wird der Bäcker seinem Konkurrenten beste Gesundheit wünschen, denn sonst würde der ja sein Gold nicht mehr decken können.
Wir werden lernen, dass Konkurrenz aus dem Lateinischen kommt und schlicht zusammenlaufen (= con currere) bedeutet. Und die Rheingolder laufen gerne zusammen, um sich gegenseitig Umsätze zu bescheren.
Die Konkurrenz bleibt natürlich bestehen, weil jeder Bäcker in seinem Meisterstolz bestrebt ist, die besseren Brötchen zu backen.
Wir haben ja alle gelernt, dass man nur das Geld ausgeben kann, das man vorher eingenommen hat. Dieser Lehrsatz ist falsch und wir stellen ihn vom Kopf auf die Füße.
Denn wir Rheingolder erfahren jetzt, dass man Rheingold nur einnehmen kann, wenn man es vorher ausgegeben hat. Denn wie sollte man bitte Rheingold einnehmen, wenn es niemand ausgibt?
Wie waren die bisherigen praktischen Erfahrungen?
Die ersten Rheingold-Scheine wurden Ende September 2006 im Auftrag eines Markthändlers gedruckt: Zweihundert 1er-Rheingold-Gutscheine.
Nur, wie in aller Welt werden sie lebendig? Also wechselte einer kurzerhand 100 dieser Markthändler-Gutscheine dem Gemüsehändler gegen alte Euro und verteilte sie in einem Investoren-Club. Hintersinn:
Die manchmal Millionen schweren Investoren werden es sich vielleicht nicht entgehen lassen, 1 Rheingold zu sparen und alle dort erscheinen und einkaufen. Dabei werden sie entdecken, dass der Markthändler auch frische französische Trüffel und wertvolles natives Olivenöl aus Ligurien führt. So sollten für den Markthändler 100 neue Kunden gewonnen werden.
Die anderen 100 Rheingold, die der Markthändler noch in seiner Kasse hatte, die sollte er benutzen, um damit selber einzukaufen. So verteilt er einkaufend seine Werbung und schafft sich Nachfrage nach seinen eigenen Produkten, indem er durch Verwendung seiner Gutscheine die anderen erst liquide macht.
Das war die erste Testphase, die sich auch rasch herumsprach. Andere Gewerbetreibende und viele Künstler wollten nun auch ihre eigenen Gutscheine herausgeben, damit sich die Umsätze (auch für Kunst) erhöhen.
Die ließen sich nun auch Gutscheine bei einem der Rheingold-Drucker drucken. Und damit sich keiner überfordert, haben sich die meisten lediglich bis zu 100 Rheingold anfertigen lassen. Das kann ja jeder mit links decken.
Eines der Rheingold-Restaurants wurde dann Lieblingsziel der Rheingolder. Denn dort kann man, während man mit Rheingold seinen Caputccino begleicht, in Ruhe Ausstellungen planen oder andere Projekte entwickeln, außerdem lecker essen gehen, manchmal sich sogar verlieben.
Anfangsschwierigkeiten
Nicht immer klappt Rheingold bei allen Rheingoldern. Eine Künstlerin schrieb mir, dass sie von den Söhnen des Gemüsehändlers, die das Rheingold-Projekt anfangs doof fanden, wieder davongeschickt wurde „schon wieder dieses Künstler-Gold“, sie ist dann unerschrocken zu einem hippen Modeladen gelaufen, um sich stattdessen einen schicken Schal zu leisten.
Dort erklärten die verunsicherten Angestellten Rheingold flugs zur „Chefsache“. Da die Chefin aber auf einer Modemesse weilte, wurde nichts aus einem Schal. Also sie weiter zum Bioladen. Dort erstand sie ein sündhaft teures Rosenöl und war happy. Und der Bioladen freute sich über den zusätzlichen Umsatz, während die abweisenden Läden den Zusatzumsatz verpassten.
Das sind halt die Geburtswehen, die zu Anfängen dazugehören.
Der Künstlerin hat es jedoch Spaß gemacht. Sie hat jetzt extra eine Serie von kleinen Bildern gemalt, die sie exklusiv den Rheingoldern anbietet, damit sie wieder in den Besitz ihrer Gutscheine kommt und erneut einkaufen gehen kann.
Die Rheingold-Scheine werden als Editionen in sehr kleinen Auflagen gedruckt, damit wir möglichst viele Motive verwirklichen können. Einige der Bögen haben wir ungeschnitten gelassen und gerahmt. Denn Rheingold soll auch eine museale Ausstellung werden mit einem ausstellungsbegleitendem Katalog.
Zurzeit planen wir einen 35er-Rheingold Schein. Auf der einen Seite werden wir einen Antifaschisten ehren, der Düsseldorf vor der Zerstörung bewahrte, auf der anderen Seite werden wir die Rheingolder auf ein schönes Buch aufmerksam machen, ein Buch, in dem Düsseldorf in vielen detailreichen Zeichnungen portraitiert wird.
Warum ein 35er? Weil das Buch genau diesen Betrag kostet.
Wahrscheinlich werden wir das mit einer Lesung verbinden und ein Rheingolder-Catering-Betrieb wird ein goldenes Thai-Curry kredenzen, so dass die Rheingolder gesellig einander kennenlernen können. Bücher der publizierenden Rheingolder werden feilgeboten und die 35er-Rheingold an Interessenten verteilt, damit sich jeder wieder Bücher leisten kann.
Und ein Rheingold-Fest werden wir veranstalten, damit die darstellenden Künstler unter uns auch auftreten können. Wir sind ja neugierig, was uns Rheingold alles bieten kann.
Und wie wird man Rheingolder?
Ganz einfach. Wer auch immer Rheingold mit seinen Waren und Dienstleistungen decken möchte, lässt sich als Rheingolder seine eigenen Gutscheine drucken und geht mit diesen fröhlich einkaufen.
Irgendwann kommen sie zu ihm zurück und machen Umsatz. Dann geht der Rheingolder erneut einkaufen, bis unter allen Rheingolder Wohlstand ausbricht. War es nicht Ludwig Erhard, der „Wohlstand für alle“ wollte?
Und ein Wirtschaftswunder muß ja kein Geheimnis bleiben. Denn wir arbeiten ja alle gerne.
Aus Matrix 3000 Sonderheft „Geld und die Welt“ Nr. 3, 2007.
Weitere Beiträge (Auswahl):
Grazyna Fosar / Franz Bludorf „Der Rhythmus der Börse“
Hans Ebert „Die Business Network Matrix“
Gerhard Waterstradt „Visionen eines Bankchefs“
Egon W. Kreutzer „Geld und Hypergeld“